„Wir werden nicht als Demokraten*Demokratinnen geboren“, meint Tim Klausgraber, Referent für Migration in der zentralen Geschäftsführung des Internationalen Bundes (IB). „Demokratie muss man lernen. Und angesichts der gesellschaftlichen Entwicklungen müssen wir dieses Lernen intensivieren. Denn gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit, etwa gegenüber geflüchteten Menschen, ist eine Gefahr für unser Gemeinwesen.“ Deshalb appelliert er an die Politik und die künftige Bundesregierung: „Beziehen Sie Stellung, zeigen Sie Ihre Haltung. Wer für die Demokratie einsteht, darf über strukturellen Rassismus nicht schweigen.“
Gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit – ein Sammelbegriff für die Ablehnung von Menschen aufgrund zugeschriebener Merkmale wie Hautfarbe, Herkunft, sozialem Milieu oder sexueller Orientierung – ist kein neues Phänomen, sondern reicht weit in die Menschheitsgeschichte zurück. Immer geht es dabei laut Klausgraber um die Frage: Wer gehört dazu, wer nicht. „Wir Menschen können nicht umhin, den anderen als ´anders` zu erleben. Aber die Frage ist, welche Konsequenzen wir daraus ziehen. Kann ich dieses ´Anderssein` aushalten und den Wert der Vielfalt erkennen?“
Dass ein Teil der Gesellschaft dies offenbar nicht kann und bereit ist, dafür zu morden, hat sich in der Vergangenheit wiederholt gezeigt: Etwa beim Anschlag auf das Münchener Oktoberfest 1980 etwa, bei den Brandanschlägen in Rostock-Lichtenhagen 1992, beim Attentat von Hanau 2020. „Doch eine demokratische Gesellschaft“, so Klausgraber, „reagiert auf die vermeintliche ´Fremdheit` unserer Mitbürger*innen oder auf eine gefühlte Bedrohungslage nicht mit der Pauschalisierung von Menschen. Das bleibt hinter unseren Ansprüchen einer Demokratie zurück. Das zeigen auch die Bürger*innen bei ihren Reaktionen auf diese schrecklichen Taten. Es ist wichtig, in diesen Momenten Farbe zu bekennen und eine demokratische Position öffentlich zu vertreten.“ Doch der Kampf gegen Rassismus und Menschenfeindlichkeit beschränkt sich nicht auf die Reaktion. Demokratie verlangt Aktivität!
Die Haltung des IB: Das `Für´ betonen, um dem `Wider´ zu begegnen
Dafür setzt der IB auf eine klare Haltung – und das schon seit Jahrzehnten. Tim Klausgraber beschreibt sie so: „In all unseren Angeboten betonen wir das `Für´, um dem `Wider´ zu begegnen, sei es in der Jugend-, Erwachsenen- oder Seniorenarbeit, sei es in der Kita, der Schule oder dem Betrieb. Die Menschen lernen dabei, wie demokratisches Miteinander gelingen kann und erfahren, dass sie Teil der Demokratie sind.“
Sichtbar wird dies insbesondere durch die IB-eigene Initiative Schwarz-Rot-Bunt, die 2012 in die gleichnamige Stiftung mündete. „Als IB bekennen wir uns zu einem Gemeinwesen der Vielfalt. Deshalb kämpfen wir gegen Rassismus, indem wir für Demokratie und Akzeptanz eintreten.“
Damit Demokratie nicht nur als institutioneller Rahmen mit Wahlen und Gewaltenteilung verstanden wird, sondern als Lebensform, wird das Wort „Demokratie“ in den Angeboten des IB zur politischen Bildung mit Leben gefüllt. Zum Beispiel in einem Stadtteilprojekt in Bad Kreuznach, wo junge Menschen lernen, wie eine Kommune funktioniert und welche Aushandlungsprozesse nötig sind, um einen Stadtteil zu entwickeln, in dem alle Menschen gut leben können.
Sagen, was ist
Gutes Zusammenleben fängt in der Nachbarschaft an, wichtige Weichen werden jedoch woanders gestellt. Deshalb appelliert Tim Klausgraber an die Politik und die künftige Bundesregierung, fortwährend ehrliche Auseinandersetzungen zu pflegen - auch bei schwierigen Themen. „Es ist wichtig, offen darüber zu sprechen, dass es in Deutschland Rassismus gibt und dass es unsere beständige Wachsamkeit verlangt, diesem Denken keine Räume zu überlassen.“
Das geschieht nicht von allein: „Die zukünftige Regierung muss deutlich machen, dass sie auch gegen strukturellen Rassismus aktiv wird und sich für die Wachsamkeit gegenüber allen Formen der Menschenfeindlichkeit stark macht. Da die Arbeit an der Demokratie eine Daueraufgabe unserer Gesellschaft ist, ist eine regelmäßige und strukturelle Förderung von Maßnahmen der Politischen Bildung kein Luxus, sondern ein Muss.“ Das bedeutet, den Schritt zu gehen und gelungene Modellprojekte in Regelförderung zu übersetzen. Es gibt starke Projekte, von Trägern wie dem IB, im Rahmen größerer Strukturen wie beispielsweise. der Bundeszentrale für politische Bildung oder dem Bundesprogramm „Demokratie Leben!“ Ihre volle Wirkung entfalten Sie aber nur, wenn Nachhaltigkeit geschaffen wird, sodass jede kommende Generation die Chance erhält, Demokratie zu erlernen.