Nach der generalisierten Pflegeausbildung: Einschätzungen aus der Ausbildungspraxis

An der Medizinischen Akademie des IB in Rostock wurde ein Qualifizierungskurs „Pflegefachfrau/Pflegefachmann“ entwickelt, um dem hohen Fachkräftebedarf zu begegnen. Im Interview schildern Schulleitung Dörte Dietz und die Lehrkraft im Pflegefach Stefanie Krause Herausforderungen und offenen Baustellen der Fachkräftegewinnung.


An der Medizinischen Akademie des IB in Rostock wurde ein Qualifizierungskurs „Pflegefachfrau/Pflegefachmann“ entwickelt. Dörte Dietz (links) und Stefanie Krause (rechts) über Herausforderungen und offene Baustellen der Fachkräftegewinnung. Fotos: privat

Was war Ihre Motivation, das Kursangebot „Pflegefachfrau*mann zu entwickeln?

Dörte Dietz: Die Ausbildungsoffensive Pflege hat im Januar 2019 im Auftrag des Bundesministeriums für Familie, Frauen, Senioren und Jugend im Rahmen der Informations- und Öffentlichkeitskampagne das Ziel ausgegeben, dass bis 2023 die Anzahl der Auszubildenden und der ausbildenden Einrichtungen um 10 % erhöht werden sollen.

Somit soll mit der Ausbildung zur Pflegefachfrau bzw. dem Pflegefachmann auf gesellschaftspolitische und demografische Bedarfe sowie Notstände im Pflegebereich reagiert - und die Attraktivität des Berufes gesteigert werden. Da wir seit mehr als zehn Jahren die Ausbildung zur*zum staatlich anerkannten Kranken- und Altenpflegehelfer*in anbieten, ergibt sich daraus eine hervorragende Entwicklungsmöglichkeit für unsere eigenen Schüler*innen und ebenso für bereits berufstätige Menschen in Assistenztätigkeiten.

Wie ist der Zulauf von Interessierten? Gibt es mehr als zuvor?

Dörte Dietz: Es ist aus unserer Position heraus schwer zu beurteilen, ob es mehr Interessenten*Interessentinnen gibt, da sich die neuen Auszubildenden direkt am Praxisort, den Einrichtungen im Gesundheitswesen, bewerben. Für uns als Pflegeschule ist die Herausforderung größer, entsprechende Schüler*innen zu gewinnen, da wir mit der berufsbegleitenden Ausbildung abhängig von unseren Kooperationsbetrieben sind. Somit steht die gemeinsame Arbeit noch mehr im Vordergrund. Betrachten wir die Menschen, die sich bereits in einer helfenden Pflegetätigkeit befinden, können die Einrichtungen nur eine geringe Anzahl ihrer interessierten Mitarbeitenden für die Ausbildung anmelden, da sie kaum auf deren Arbeitskraft verzichten können. Im Zuge dessen versuchen wir, die Praxiseinsätze, die in der generalistischen Ausbildung in verschiedenen Fachgebieten anstehen, für unsere Kooperationspartner besser zu strukturieren und die Mitarbeitenden untereinander „auszutauschen“.

Stefanie Krause: Grundsätzlich beobachten wir in der Generalistik eine positive Entwicklung, da durch die Kombination von mehreren Berufen eine fundierte Basis erlernt wird. Dies bietet für die angehenden Pflegefachfrauen*männer eine höhere Flexibilität auf dem Arbeitsmarkt, in Form einer Wahlfreiheit unter den gewünschten Fachbereichen.

Wie sind die Praxis und die Theorie miteinander verzahnt? Wie kommen Praxis und Theorie zusammen? Wie kann die Politik unterstützen?

Stefanie Krause: Wir haben versucht, unseren Kooperationspartnern mit unserem Konzept zu entsprechen. An unserer Schule ist vorgesehen, einen regelmäßigen Unterricht von zwei Tagen in der Woche anstelle von Bockunterricht anzubieten. Damit ermöglichen wir für die Schüler*innen eine stetige Verknüpfung von Theorie und Praxis. Die Einrichtungen müssen dadurch möglichst keinen langzeitigen Verzicht auf ihre Mitarbeiter in Kauf nehmen. Von der Kontinuität der Lernatmosphäre profitieren insofern alle Einrichtungen, da das Gelernte direkt angewendet werden kann und die Erfahrungen im Alltagsgeschehen in der Schule aufgearbeitet werden können.

Grundsätzlich ist es optimal, wenn die*der Praxisanleiter*in in engem Kontakt mit der Pflegeschule steht und möglicherweise auch gemeinsame Unterrichtsstunden oder Seminare im Betrieb stattfinden könnten. In vielen Fällen sind die Praxisanleiter*innen allerdings stark in das Alltagsgeschehen eingebunden und haben wenig Kapazität für die pädagogische Arbeit mit den Auszubildenden. Daraus ergibt sich eine geringere Attraktivität, sich dieser Aufgabe im Berufsleben anzunehmen, da es selten monetäre Vorteile mit sich bringt und eine zusätzliche Arbeitsbelastung bedeutet. Hierbei sollte die Politik gefordert sein, eine gesetzliche Grundlage zu schaffen, Praxisanleiter*innen hinsichtlich der Stellenplanung und Stundenkalkulation differenziert zu den Mitarbeitenden in der Pflege zu betrachten. Das Ziel sollte sein, für  Praxisanleiter*innen der Ausbildungseinrichtungen die Möglichkeit zu schaffen,  stärker mit in die praktische und theoretische Ausbildung eingebunden zu werden. Aus pädagogischer Sicht böte dies einen erheblichen Mehrwert.

Was muss getan werden um den Fachkräftemangel in der Pflege entgegenzuwirken?

Dörte Dietz: In den vergangenen Jahren haben viele Pflegeschulen begonnen, Pflegekurse und Helferausbildungen anzubieten. Diese Assistenzkräfte haben den Notstand im Pflegebereich gut überbrücken können und die vorhandenen Fachkräfte im Arbeitsalltag entlastet. Dennoch fehlt die Fachexpertise der ausgebildeten Pflegefachkräfte. Um die Ausbildung zur*zum Pflegefachfrau*mann beginnen zu können, ist eine Mittlere Reife vorzuweisen. Viele der angebotenen Kurse finden allerdings nicht an staatlich anerkannten Schulen statt oder sind zeitlich zu kurz angelegt, um darauf aufbauen zu können. Somit ergeben sich zwei Bereiche, an denen gearbeitet werden sollte: Nötig ist eine Kombination aus Helferausbildung und Nachholen des Realschulabschlusses. Mit der Ausbildung zur*zum Pflegehelfer*in sollte unter gewissen Voraussetzungen der Erhalt der Mittleren Reife ermöglicht werden. Dadurch können geringer qualifizierte Hilfskräfte von umfangreicher ausgebildeten Kräften differenziert werden. Zudem eröffnen wir die Möglichkeit, eine aufbauende Fachkraftausbildung zu absolvieren.

Stefanie Krause: Die Attraktivität wird auch mit einer Schärfung von Berufsbezeichnungen gesteigert. Innerhalb der Pflegeberufe sollte eine politische Klärung der Berufsbezeichnungen vorgenommen werden, um die Fachbasis einschätzen zu können. Das wäre auch Grundlage für klarere monetäre Abstufungen. Denn aktuell sind die finanziellen Unterschiede zwischen einer ungelernten und einer gelernten Assistenzkraft verschwindend gering, was keinen Anreiz für eine Ausbildung mit sich bringt. Hinzu sollte  eine bundesweit einheitliche Anerkennung der Berufe kommen, um die Mobilität in verschiedenen Lebensphasen zu vereinfachen.


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